Studentenleben in Deutschland

Studierende und Politik

Wie viele Länder war auch Deutschland in den 1960er Jahren von studentischen Aufständen geprägt; die hauptsächlichen Themen der Protestierenden waren die Einstellung gegen den Vietnamkrieg, Imperialismus, Polizeigewalt und vor allem gegen die Bekleidung von wichtigen politischen Ämtern durch alte Nazi Eliten. Deutsche Universitäten wurden zum zentralen Punkt der Proteste; vor allem in Berlin wurde die Besetzung der Universitätseinrichtungen zum Druckmittel der Studenten, um ihre politischen Forderungen zu verdeutlichen. In den 1970er Jahren wurde die Frauenbewegung mehr und mehr in den Fokus gerückt. Anders als protestierenden Studenten in anderen Ländern war den deutschen Studierenden der starke Fokus auf Antiautorität und Aufarbeitung des Nationalsozialismus besonders wichtig, und neu war das Experimentieren mit neuen Formen des Demonstrierens. Heute gibt es natürlich keine derartigen Studentenbewegungen mehr in Deutschland. Der 68er Bewegung ging es mit ihren Protesten um das Gesamtbild der deutschen Gesellschaft, während Studentenproteste heute eher einzelne Gesetze der Bildungspolitik kritisieren. Obwohl oft bemängelt wird, dass Studierende heutzutage kein Interesse mehr an Politik zeigen, sind sie dennoch sehr involviert in Hochschulpolitik und an politischen Entwicklungen in Deutschland; so wurde kürzlich beispielsweise AFD-Gründer Bernd Lucke von Studierenden aus dem Hörsaal einer Hamburger Universität vertrieben, als er dort eine Vorlesung halten wollte. Aufgrund tumultartiger Proteste konnte Lucke die Vorlesung erst Wochen später und unter Polizeischutz beenden.

WGs und Wohnheime

Deutsche Studierende wohnen in der Regel in Wohngemeinschaften (WGs) mit Kommilitonen. Wie auch in England teilen sich viele junge Leute eine Wohnung, um Geld zu sparen. Besonders in großen und teuren Studentenstädten ist dies eine gute Möglichkeit, Leute kennenzulernen und gleichzeitig preisgünstig zu wohnen. Eine andere Möglichkeit sind Studentenwohnheime (student housing), in denen man sich, wie in einer WG, Gemeinschaftssräume wie Küche und Bad teilt, und ein eigenes kleines Zimmer bewohnt. Viele Studentenwohnheime bieten auch Mini-Apartments mit integrierter Küche und Bad. Plätze im Studentenwohnheim sind sehr begehrt, deshalb muss man sich so schnell wie möglich um einen Platz kümmern, sobald man weiß, in welcher Stadt man studieren möchte. Laut einer Statistik des Studentenwerks wohnen 29% aller deutschen Studierenden in einer WG, 20% teilen sich die Wohnung mit der Partnerin/dem Partner, und 17% wohnen in der eigenen Wohnung. Über 20% wohnen jedoch (noch) bei ihren Eltern; dies ist gerade in großen und teuren Städten der Fall.

Klausuren und Prüfungen

Ob man Klausuren schreibt, und welche Art von Prüfungen man in seinem Studium ablegen muss, hängt vom Studienfach ab. Studenten der Medizin zum Beispiel müssen während ihres Studiums fast ausschließlich Klausuren schreiben und mündliche/praktische Prüfungen ablegen, während Studierende in den Humanwissenschaften hauptsächlich Hausarbeiten und Essays als Prüfungsleistung erbringen. Um sein Studium erfolgreich zu meistern, müssen alle Module abgeschlossen werden; welche Prüfungsleistung für die einzelnen Module erforderlich ist, ist abhängig von der jeweiligen Studienordnung der Universität. Klausuren können multiple choice Fragen enthalten, aber auch mehrere kleine Essays als Antworten verlangen. Schafft man eine Klausur nicht auf Anhieb, hat man normalerweise ein bis zwei weitere Versuche, um sie zu bestehen.

Mensa

Die Qualität des Mensaessens an Deutschlands Universitäten ist sehr unterschiedlich; die Meinung der Studenten reicht von “absolut ungenießbar” bis “lecker und gute Abwechslung”. In Deutschland ist es normal, als Student jeden Tag in der Mensa zu essen; die Kosten von einem Mittagessen liegen zwischen 1,50 and 3,50 Euro und somit ist es äußerst günstig für Studenten jeden Tag in der Uni zu essen, zumal es meistens eine große Auswahl gibt (vegetarisch, vegan, Fisch etc.). Das Studentenmagazin pointer hat Studierende in ganz Deutschland über ihre Uni Mensa abstimmen lassen, mit folgendem Ergebnis: Die beste Mensa Deutschlands ist demnach die der Universiät Rostock, dicht gefolgt von der Universität Osnabrück, der TU Dresden, der Zeppelin Universität Friedrichshafen, und der Georg-August-Universität Göttingen. Studierende der Universität Kiel sind jedoch überhaupt nicht zufrieden, und voteten ihre Mensa auf den letzten Platz.

Studentenverbindungen / Burschenschaften

Wie auch in anderen Ländern gibt es in Deutschland Studentenverbindungen. Im Gegensatz zu den USA sind sie jedoch nicht so weit verbreitet und es handelt sich hauptsächlich um Burschenschaften (männliche Verbindungen). Deutsche Studentenverbindungen stehen oft in der Kritik; sie gelten als elitär, konservativ und streng hierarchisch. Zudem sind sie für eine Ungleichbehandlung von Frauen bekannt, und dafür, ihre Mitglieder unter anderem nach Nationalität, Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung auszuwählen. In Deutschland wird zwischen schlagenden und nicht schlagenden Verbindungen unterschieden; in schlagenden Verbindungen ist die Mensur (der Fechtkampf) großer Bestandteil des Lebens in der Gemeinschaft. Dabei handelt es sich laut Burschenschaften um Persönlichkeitsentwicklung, obwohl Fechtduelle mit Waffen ausgetragen, und nicht selten Verletzungen von Kämpfen davongetragen werden. Eine von einem Fechtduell stammende Narbe (der Schmiss) wird von schlagenden Verbindungen als ehrenwert angesehen; die fechtenden Studierenden tragen meist keine ausreichende Schutzbekleidung, um die Präzision des Fechtens hervorzuheben. Zurückweichen während eines Duells gilt als persönliche Niederlage. Die Pflichtmensur war bis 1971 Pflicht in deutschen Burschenschaften; seitdem können Verbindungen selbst entscheiden, ob sie schlagen oder nicht schlagen. Zu den nicht schlagenden Verbindungen zählen beispielsweise christliche Burschenschaften.

Deutsche Burschenschaft